💥 „Mein Kind hat Stress mit einem anderen Kind beim BJJ – teil 2!“
Konflikte im Kindertraining sind kein Ausnahmefall. Sie sind nicht unbedingt ein Alarmzeichen, sondern – so paradox es klingt – ein ganz normaler Teil von Gruppenprozessen.
Trotzdem ist es für Eltern verständlich, dass sie reagieren, wenn das eigene Kind plötzlich nicht mehr mit Freude ins Training geht, sich über andere beschwert oder sich ungerecht behandelt fühlt.
Was also tun, wenn dein Kind sagt:
„Der ist gemein zu mir.“
„Ich will nicht mit ihm rollen.“
„Die machen mich immer fertig.“
Oder wenn du mitbekommst, dass dein Kind sich gegen ein anderes besonders schwer durchsetzen kann?
1. Erstmal durchatmen: Soziale Reibung ist normal
Wenn Kinder sich im Training reiben, geht es fast nie um „richtige“ Feindschaften.
Es geht um Rangordnung, Dynamik, Temperament, Unsicherheit. Und die äußern sich manchmal deutlich:
Lauter Tonfall
Grobes Rollen
Beleidigtes Wegdrehen
Ein „Ich will nicht mit dem!“
Aber: BJJ ist genau dafür ein sicherer Rahmen.
Kinder lernen in solchen Momenten, wie man mit Grenzen, Konkurrenz und Körpersprache umgeht.
In der Schule oder auf dem Spielplatz fehlt oft die Struktur dafür – beim Jiu Jitsu ist sie da.
Das heißt: Die Matte ist ein Ort, an dem Konflikte nicht vermieden werden müssen, sondern bearbeitet werden können.
2. Kinder sagen nicht, was sie fühlen – sie zeigen es
Oft verpacken Kinder unangenehme Gefühle in „verdauliche“ Aussagen.
Wenn dein Kind sagt:
„Der andere ist unfair.“
„Ich will nicht mehr kämpfen.“
„Der macht immer nur gemeine Sachen.“
… dann steckt dahinter nicht immer ein objektives Fehlverhalten.
Sondern manchmal auch:
Scham (weil man verliert)
Frust (weil man körperlich unterlegen ist)
Angst (vor Schmerz oder Versagen)
Unsicherheit (über Regeln oder Grenzen)
Das Problem ist echt – aber nicht immer das, was es zu sein scheint.
Darum ist der erste Schritt: Zuhören – ohne vorschnell zu urteilen.
3. Eltern wollen schützen – Kinder wollen ernst genommen werden
Wenn du als Elternteil hörst, dass dein Kind Stress mit jemandem hat, willst du es beschützen.
Das ist völlig normal.
Aber Vorsicht:
Wenn du den Konflikt zu schnell für dein Kind löst, nimmst du ihm die Chance, sich selbst darin zu behaupten.
Besser ist:
Frag nach: „Was genau ist passiert?“
Bleib konkret: „Wie hast du dich dabei gefühlt?“
Unterstütze dein Kind darin, das Gespräch mit dem Trainer zu suchen – oder begleite es dabei.
Frag auch: „Was hättest du dir in dem Moment gewünscht?“
Diese Fragen helfen deinem Kind, Sprache für die Situation zu finden, statt nur „blöd“ zu sagen.
4. Nicht jeder ist gleich – und das ist okay
Manche Kinder sind laut, andere leise.
Manche hartnäckig, manche weich.
Und nicht jedes Kind wird mit jedem anderen harmonieren – schon gar nicht auf engem Raum wie auf der Matte.
Das zu akzeptieren, ist Teil des Wachstums.
Im echten Leben werden auch nicht alle Konflikte „gelöst“ – aber man lernt, damit umzugehen.
BJJ ist kein Streichelzoo. Aber es ist auch kein rechtsfreier Raum.
Ein guter Trainer wird:
Dynamiken erkennen
Zu grobes Verhalten stoppen
Klare Regeln durchsetzen
Kinder auch mal „verpflichten“, miteinander zu trainieren – in sicherem Rahmen
5. Wann muss ich eingreifen?
Nicht jeder Konflikt ist ein Fall für das Elterngespräch.
Aber wenn du merkst:
Dein Kind geht über Wochen mit Bauchweh ins Training
Es weicht immer denselben Partnern aus
Es redet gar nicht mehr über BJJ, obwohl es früher begeistert war
… dann sprich mit dem Trainer.
Nicht im Vorwurf, sondern im Wunsch, gemeinsam Lösungen zu finden.
Gute Trainer werden:
Ein Auge auf die Konstellation werfen
Die Kinder separat stärken
Feedback geben, ohne Partei zu ergreifen
Wichtig: Kinder erleben Machtverhältnisse sehr direkt.
Ein kleiner Altersunterschied, ein paar Kilo mehr Gewicht oder mehr Trainingserfahrung können Welten bedeuten.
Das heißt aber nicht, dass dein Kind „verloren“ ist.
Sondern dass es – begleitet – genau daran wachsen kann.
6. Was Kinder aus Konflikten wirklich lernen können
Wenn Kinder lernen, mit jemandem zu trainieren, den sie nicht mögen,
wenn sie merken, dass sie auch nach einer Niederlage wieder aufstehen können,
wenn sie sich trauen, einem Trainer zu sagen: „Ich will heute lieber nicht mit ihm rollen“ –
dann passiert genau das, worum es bei BJJ tief im Kern geht:
Sich behaupten – ohne zu verletzen.
Grenzen spüren – und trotzdem weitermachen.
Vertrauen lernen – auch wenn es mal unangenehm ist.
Fazit: Konflikte auf der Matte sind nicht das Ende – sie sind Teil des Weges
Natürlich soll dein Kind sich im Training wohlfühlen.
Aber „wohlfühlen“ heißt nicht immer: „Es ist alles einfach.“
Manchmal heißt es:
„Ich darf wachsen – auch wenn’s kurz unbequem ist.“
Wenn du dein Kind dabei begleitest, Konflikte als Teil des Prozesses zu sehen,
wenn du zuhörst, ohne zu dramatisieren,
und wenn du Trainer und Kind zutraust, gemeinsam Lösungen zu finden –
dann wird aus „Der ist blöd“ irgendwann etwas ganz anderes:
„Ich hab gelernt, damit umzugehen.“