Mein Trainer hat mich kritisiert – und jetzt hab ich keinen Bock mehr.
Ein Reality-Check für Erwachsene im BJJ.
1. Die erste Reaktion: „Ich zahl doch dafür – warum soll ich mir sowas geben?“
Viele, die mit Brazilian Jiu-Jitsu anfangen – oder sich nach einiger Zeit zum ersten Mal kritisiert fühlen –, stellen sich genau diese Frage.
Und sie ist verständlich.
Du verbringst deine Freizeit im Gym. Du zahlst einen Monatsbeitrag.
Du kommst, um dich auszupowern, zu lernen, vielleicht auch einfach abzuschalten.
Und dann das:
Ein Kommentar vom Trainer, eine direkte Korrektur, vielleicht sogar vor der Gruppe – und plötzlich fühlst du dich nicht mehr willkommen, sondern bloßgestellt.
„Ich will mich hier gut fühlen – nicht wie ein Schuljunge behandelt werden.“
So oder so ähnlich klingt die innere Stimme.
Aber was steckt eigentlich dahinter?
2. Kritik tut weh. Und das ist normal.
Ob im Job, in der Beziehung oder auf der Matte – Kritik kratzt an unserem Selbstbild.
Besonders dann, wenn:
sie öffentlich kam
du das Gefühl hattest, es war „gegen dich“ gerichtet
du schon gestresst warst (körperlich oder mental)
du selbst wusstest, dass du’s nicht gut gemacht hast
Kritik trifft selten dann, wenn wir sie cool aufnehmen könnten.
Sie trifft uns genau dann, wenn wir ohnehin schon verletzlicher sind als wir zugeben wollen.
Und das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Menschlichkeit.
3. Warum dein Trainer dich trotzdem kritisiert (und warum das ein gutes Zeichen ist)
In guten BJJ-Gyms wirst du nicht einfach durchgewunken.
Du bekommst Feedback. Manchmal freundlich. Manchmal direkt.
Manchmal trifft es dich härter, als es gemeint war.
Aber:
Ein Trainer, der dir nichts mehr sagt, hat entweder aufgegeben – oder kein echtes Interesse an deinem Fortschritt.
Denn: Du zahlst nicht für Streicheleinheiten.
Du zahlst für Entwicklung. Für saubere Technik. Für bessere Entscheidungen auf der Matte.
Und ja – auch für persönliche Entwicklung. Denn wer mit Druck, Fehlern und Ego nicht umgehen kann, bleibt nicht lange Teil einer echten BJJ-Community.
4. Erwachsen sein heißt nicht: Keine Kritik mehr kriegen.
Viele verwechseln Reife mit Unantastbarkeit.
Aber genau das Gegenteil ist der Fall:
Erwachsen sein heißt, Feedback auszuhalten.
Erwachsen sein heißt, nicht sofort mit Rückzug oder Trotz zu reagieren.
Erwachsen sein heißt, auch mal den eigenen Anteil zu prüfen.
Erwachsen sein heißt aber auch, den Mund aufzumachen, wenn der Ton unangemessen war.
Du musst nicht alles schlucken.
Aber wenn du nur aussteigst, sobald es unangenehm wird, schneidest du dir selbst die Entwicklung ab, die du eigentlich suchst.
5. „Aber der Ton war daneben!“ – und jetzt?
Klar, es gibt auch Trainer, die ihren Frust an anderen auslassen.
Die sich nicht im Griff haben. Die Kritik verpacken wie einen Faustschlag.
Wenn du das Gefühl hast, dass etwas wirklich persönlich oder unfair war – sprich es an. Ruhig. Direkt. Am besten nach dem Training.
Nicht, um Recht zu bekommen.
Sondern um Verständnis herzustellen.
Ein gutes Gespräch nach einem schwierigen Moment schafft oft mehr Vertrauen als ein Jahr ohne Konflikt.
Aber: Wenn du das Thema nie ansprichst, wird es in deinem Kopf größer.
Und irgendwann bist du raus – nicht wegen dem Trainer, sondern wegen deiner eigenen Unsicherheit.
6. Warum Kritik so wichtig ist – nicht nur für dein Jiu Jitsu
Niemand kommt auf die Matte und kann alles.
Und niemand wird besser, ohne Fehler zu machen.
BJJ ist gnadenlos ehrlich.
Wenn du es zulässt, wird es dir zeigen:
wo dein Ego dich blockiert
wie du unter Druck reagierst
wo du lieber aussteigst, statt dich weiterzuentwickeln
Kritik – sei sie gerechtfertigt oder nicht – ist ein Trainingsimpuls.
Nicht nur technisch, sondern emotional.
Und wenn du lernst, mit ihr souverän umzugehen, wirst du nicht nur besser auf der Matte.
Du wirst auch im Leben belastbarer, klarer, entspannter.
7. Fazit: Kritik ist kein Angriff – sondern ein Angebot
Wenn du nach Kritik sofort aussteigst, nimmst du dir selbst:
die Chance, technisch besser zu werden
die Möglichkeit, deine Emotionen besser zu regulieren
die Gelegenheit, mit deinem Trainer in echten Austausch zu kommen
Du bist nicht falsch, wenn dich Kritik nervt.
Aber du verpasst etwas, wenn du dich davon sofort rausziehen lässt.
Bleib drin. Bleib wach. Sprich’s an. Lern daraus.
Denn manchmal ist das, was dich triggert –
genau das, was du gerade brauchst.
👉 Du willst das vertiefen?
Sprich nach dem Training mit deinem Coach.
Nicht mit Wut – sondern mit Interesse.
Was genau war gemeint? Wie war es gemeint? Was war daran berechtigt?
Du wirst überrascht sein, wie oft daraus Respekt entsteht – auf beiden Seiten.