„Mein Kind will nicht mehr ins Training … und jetzt?“

Ein Satz, den viele Eltern früher oder später hören – und der fast immer für Unsicherheit sorgt.
Gerade wenn man selbst überzeugt ist vom Training, viel Zeit investiert, vielleicht sogar sieht, wie gut es dem Kind tut … und dann sagt es plötzlich:
„Ich will nicht mehr.“
Oder: „Ich hab keine Lust.“
Oder: „Ich will lieber was anderes machen.“

Und dann? Was ist jetzt richtig? Nachgeben? Motivieren? Zwingen? Reden?

Spoiler: Es gibt keine einfache Antwort.

Aber es gibt ein paar klare Gedanken, die helfen, einen eigenen, funktionierenden Weg zu finden – jenseits von Druck, aber auch jenseits von bedingungslosem Nachgeben.

1. Was „Ich will nicht mehr“ wirklich bedeuten kann

Wenn ein Kind sagt, es will nicht mehr ins Training, dann meint es selten:
„Ich lehne dieses Sportkonzept in seiner Grundidee ab.“
Sondern oft:

  • „Ich bin müde.“

  • „Ich hab grad Stress in der Schule.“

  • „Ich hatte eine schlechte Erfahrung im Training (auch wenn ich sie nicht klar benennen kann).“

  • „Ich hab gerade andere Interessen.“

  • „Ich hab Angst, dass ich versage.“

Das bedeutet nicht, dass die Aussage nicht ernst zu nehmen ist. Im Gegenteil.
Aber: Man sollte sie nicht wörtlich, sondern funktional betrachten.

Ein Beispiel:
Wenn dein Kind sagt: „Ich will nicht zur Schule“, sagst du wahrscheinlich auch nicht:
„Okay, dann halt nicht.“
Sondern du versuchst zu verstehen, warum – und was man tun kann, damit es trotzdem geht.

2. Motivation ist keine Konstante – sondern ein Zyklus

Viele Eltern erleben diesen Moment als Enttäuschung, weil sie glauben:
„Wenn mein Kind wirklich motiviert wäre, dann würde es doch gerne gehen.“

Aber Motivation ist nichts Festes. Sie kommt in Wellen – besonders bei Kindern.
Ein Kind kann heute für BJJ brennen und nächste Woche komplett die Lust verlieren. Das ist kein Zeichen von Charakterschwäche – sondern ein Zeichen von Entwicklung.
Denn:
Was sich noch nicht ganz sicher anfühlt, wird schnell hinterfragt.
Und genau da entsteht Reibung – die in Wahrheit wichtig ist.

Wenn ein Kind diese Reibung nicht erlebt, wird es nie lernen, Dinge durch Phasen ohne Lust hindurch trotzdem zu verfolgen.

3. Kampfkunst ist kein Event – sondern ein Prozess

BJJ ist kein Zirkusbesuch.
Es ist kein „Highlight“, das jedes Mal aufs Neue begeistern muss.
Und genau das macht es so wertvoll.

Denn Kinder (wie Erwachsene) brauchen Dinge, bei denen es nicht immer Spaß macht.
Wo man sich mal durchbeißen muss, um das Ergebnis zu spüren.
Wo man Scheitern übt – in sicherem Rahmen.
Und wo man nicht jedes Mal der Beste ist.

Gerade Kinder, die sehr sensibel sind oder hohe Ansprüche an sich selbst haben, empfinden das als unangenehm.
Und sie äußern es oft mit dem Satz:
„Ich will nicht mehr.“

Was sie aber eigentlich meinen:
„Es ist mir gerade zu viel.“
„Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll, dass ich nicht alles kann.“
„Ich hab Angst, enttäuscht zu werden.“

Und genau das sind die Momente, in denen Kampfkunst beginnt, etwas Tieferes zu lehren als Technik:
Widerstand aushalten.
Verantwortung übernehmen.
Dranbleiben, auch wenn es unbequem ist.

4. Aber was, wenn’s wirklich nicht passt?

Natürlich gibt es Fälle, in denen das Training nicht das Richtige ist – oder nicht der richtige Zeitpunkt.

Die Frage ist:
Redet dein Kind von einem dauerhaften Gefühl – oder von einer momentanen Abneigung?

Und: Hast du als Elternteil das Gefühl, dass dein Kind grundsätzlich etwas aus dem Training zieht – auch wenn es das gerade selbst nicht benennen kann?

Ein guter Indikator ist, ob das Kind nach dem Training positiver wirkt als davor.
Wenn du oft hörst:
„Ich hatte doch Spaß“
oder siehst, wie es aufblüht, sobald es auf der Matte steht – dann ist der Widerstand vielleicht nur ein Teil des Prozesses.

5. Was du konkret tun kannst

a) Ruhe bewahren. Nicht verhandeln, nicht drohen.

Wenn dein Kind sagt: „Ich will nicht mehr“, ist das kein Notfall.
Es ist ein Signal. Kein Krieg.

b) Ernst nehmen – aber nicht überinterpretieren.

Stell Fragen wie:

  • „Was hat dir in letzter Zeit keinen Spaß gemacht?“

  • „Gab es etwas, das dir schwer gefallen ist?“

  • „Gab es etwas, das dir gefallen hat?“

c) Verbindlichkeit schaffen – nicht durch Zwang, sondern durch Klarheit.

Zum Beispiel:
„Wir haben uns für 6 Monate Training entschieden. Wir ziehen das durch – dann schauen wir gemeinsam neu.“

Kinder lernen durch solche Strukturen, was es heißt, sich auf etwas einzulassen – nicht nur, wenn es leicht ist.

d) Den Trainer einbeziehen.

Wenn du das Gefühl hast, dass dein Kind sich schwer tut, sprich mit dem Trainer.
Oft lassen sich Dinge auf der Matte anpassen, ohne dass dein Kind sein Gesicht verliert.
Gute Trainer erkennen diese feinen Signale – aber sie müssen wissen, was im Kind vorgeht.

e) Nicht für Begeisterung verantwortlich fühlen.

Du musst dein Kind nicht jeden Tag neu motivieren.
Es ist okay, wenn dein Kind mal lustlos ist – solange du einen stabilen Rahmen gibst.

6. Was dein Kind wirklich lernt

Wenn du dein Kind nicht bei jedem Unlustgefühl aus dem Training nimmst, sondern liebevoll und konsequent durch solche Phasen begleitest, lernt es:

  • Frustrationstoleranz

  • Verbindlichkeit

  • Selbstwirksamkeit (Ich kann das trotzdem)

Das sind keine Eigenschaften, die man in 6 Wochen Kursdauer „erwirbt“.
Das sind innere Haltungen, die durch Wiederholung und Reibung entstehen.

Und wenn dein Kind mit 14, 18 oder 25 zurückblickt – dann wird es oft nicht den Sport erinnern, sondern das, was es durch den Sport gelernt hat.

Fazit: Nicht jeder Widerstand ist ein Nein.

Und nicht jede Lustlosigkeit ein Problem.
Wenn du dein Kind liebevoll begleitest, klar bleibst und ihm zutraust, auch mal einen schlechten Tag auszuhalten –
dann gibst du ihm genau das mit, was BJJ lehren kann, wenn es ernst genommen wird:
Charakter durch Handlung. Nicht durch Worte.

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Mein Trainer hat mich kritisiert – und jetzt hab ich keinen Bock mehr.

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Zu heiß zum Rollen? Denk nochmal.